Stadtrodaer Sommertheater: Schrille Weiber in regennasser Klosterruine
„Acht Frauen“: Freunde des Stadtrodaer Sommertheaters erlebten eine Aufführung voller Turbulenz und Farbenfreude.
07. August 2017 / 02:11 Uhr
Stadtroda. Hans Kappelt hat es kommen sehen. Zwar schien noch die Sonne, als die Theatergruppe am frühen Nachmittag die Klosterruine in Stadtroda erreichte. Aber der Technik-Chef traute dem Wolkenspiel am Himmel nicht und drängte auf zügigen Aufbau. Er sollte leider Recht behalten. Kaum spannte sich das Dach des Pavillons über Licht- und Tontechnik, da fielen die ersten Regentropfen.
Die elfköpfige Truppe der Spiel- und Theaterwerkstatt Erfurt erweist sich als eingespieltes Team. Vom Abladen auf dem Vorplatz über die Transportkette hinein in die von den historischen Mauern eingefasste Arena bis zum Aufbau der transportablen Spielstätte ging alles Hand in Hand. Dieses Jahr sei es ohnehin leichter, weil Hans eine „tolle Bühne“ konstruiert habe, ist immer wieder zu hören.
Von „Lego für Erwachsene“ spricht Regisseur Stephan Mahn begeistert. Und so werden versiert und ambitioniert Stangen zusammengesteckt, Planken eingehängt, Planen gespannt und schließlich die sparsam eingesetzten Requisiten drapiert.
Nach den Stationen Erfurt, Bad Schmiedeberg, Halle, Großfahner, Kamsdorf und Naumburg wurde Stadtroda traditionell wieder für die Abschlussaufführung der alljährlichen Tournee auserkoren. Und auch hier fand sich wieder ein großer Kreis von Sommertheater-Freunden ein und dies, obwohl kurz vor Spielbeginn am Abend ein heftiger Regenguss nieder ging.
Aus „Acht Frauen“ wurden sieben
Der Stimmung tat dies keinen Abbruch. Gut gerüstet mit Sitzkissen und Regenbekleidung genossen die Zuschauer das Spiel. Mit dem Stück „Acht Frauen“ des französischen Schriftstellers und Regisseurs Robert Thomas (1927-1989) wagte man sich an einen Stoff, der nach der preisgekrönten Verfilmung 2002 internationales Renommee erlangte. Die Geschichte ambitioniert, einfallsreich, spielfreudig und farbenfroh, auch klein und fein auf wenige Bühnenbretter zu bringen, war mutig. Doch es gelang wunderbar, ungeachtet dessen, dass man aus Darstellermangel „Acht Frauen“ mit nur sieben Frauen spielen musste.
Den Originaltitel beizubehalten, erwies sich als kluger Schachzug, regte es doch in dem ohnehin spannenden Verwirrspiel zusätzlich zu Spekulationen an. Ist die achte Frau vielleicht das ungeborene Kind der älteren Tochter des Toten, Susanne, dargestellt von Katharina Gerlach? Ist dieser etwa gar nicht ihr leiblicher Vater, aber offensichtlich der Erzeuger des erwarteten Nachwuchses?
Krimi, Melodram und Musical vereint das große Vorbild der Story, in der in einem abgelegenen Haus ein Mann zu Tode kommt, nur umgeben von Frauen, die alle verdächtig sind. Telefonkabel wurden durchtrennt, das Auto springt nicht an, keine kann entkommen. Mord oder Selbstmord? Die Frage steht zum Schluss. Doch die Aufklärung wird nebensächlich. Es geht um die Frauen. Alles schrille Typen.
Sie inszenieren sich, sie heucheln, spekulieren, intrigieren. Die sieben Schauspielerinnen legten in beeindruckender Weise Zeugnis davon ab, was sie in ihrer zweijährigen, berufsbegleitenden Ausbildung zur Spiel-und Theaterpädagogin gelernt haben.
Astrid Geisler als Schwiegermutter, die heimlich gern mal zur Flasche greift. Stefanie Hübner als ihre Tochter Gaby, die das Ideal „schön und reich“ lebt. Anna Euskirchen als deren missgünstige Schwester Augustine, die heimlich Liebesromane liest und ihren Schwager anhimmelt. Burschikos und hemmungslos gibt Elisabeth Taubert die jüngste Tochter Catherine, die mit dem Vater den Mord zunächst nur inszeniert, dann aber unerwartet doch mit dessen Tod konfrontiert wird.
Und dann sind da noch als wunderbar skurriles, in lesbischer Liebe verbundenes Paar: Bärbel Helmuth in der Rolle des durchtriebenen Zimmermädchens Chanel und Ina Schulze, die Pierrette mimt, die lebenslustige Schwester des verblichenen Hausherrn.
Damit das seit 15 Jahren beliebte Sommertheater seine Fortsetzung findet, braucht es Bewerber für den nächsten Ausbildungsgang.
Carola Frindert / 07.08.17 / Ostthüringer Zeitung